Digitales Lernen ist „gehirngerechtes“ Training für innere Stärke und Wachstum

Digitales Lernen ist „gehirngerechtes“ Training für innere Stärke und Wachstum

Im Interview mit Markus Brücklmeier und Jenny Poiger von der MODERNMIND GmbH

Seit ein paar Monaten ist beim Lernen nichts mehr so, wie es einmal war. Seminarräume und Schulklassen sind leer und nahezu alle Wissensvermittlung und Trainings laufen virtuell. Doch beim Lernen, insbesondere beim digitalen Lernen, kommt es auf wesentlich mehr als die bloße Wissensvermittlung an. Die MODERNMIND GmbH mit Sitz in München hat sich zum Ziel gesetzt, die mentale Gesundheit der MitarbeiterInnen und Führungskräfte nachhaltig zu verbessern. Aus eigener leidvoller Erfahrung mussten die GründerInnen Markus Brücklmeier und Jenny Poiger erfahren, dass 100 % Vollgas im Job nicht immer zum Ziel führt. Das Unternehmen arbeitet dabei nach eigenen Aussagen sehr individuell mit jedem Kunden und greift dabei auf aktuelle Forschungsergebnisse aus der Psychologie, Neurowissenschaft, Pädagogik und Biologie für die Trainingskonzeption zurück. Mit beiden sprechen wir heute über digitales Lernen, Führung, Achtsamkeit, mentale Gesundheit und nachhaltige Mitarbeiter-Weiterbildung.

DIGITAL FUTUREmag: Eine aktuelle Studie von Forschern der Frankfurter Goethe-Universität zeigt auf, dass Homeschooling so effektiv wie Sommerferien ist. Was machen die Schulen falsch, wenn SchülerInnen sich beim digitalen Unterricht sogar zurück entwickeln und an ihre Bildungsstätte mit Frontalunterricht erst wieder gewöhnt werden müssen?

Markus Brücklmeier: Die verbreitete Einstellung ist oft: Wie können wir die Nachteile, die uns virtuelles Lernen bietet, ausgleichen? Die richtige Einstellung sollte sein: Wie können wir durch die Chancen, die uns virtuelles Lernen bietet, ein ganz neues Erlebnis schaffen? Interaktion, Individualität, Spaß und Spiel sind Faktoren, die Lernen nachweislich fördern. Diese Faktoren sind wunderbar durch virtuelles Lernen abzubilden. Die vielen verschiedenen Plattformen, welche es auf dem Markt gibt, haben uns gezeigt, wie schön es sein kann, ein virtuelles Lernerlebnis zu erreichen. Natürlich malen aber im behördlichen Bereich die Mühlen etwas langsamer. Solche Prozesse schnell und effizient einzuführen ist eine große Herausforderung. Das ist uns bewusst.

DIGITAL FUTUREmag: Warum ist digitales Lernen so unglaublich schwierig? Welche Grundparameter müssen stimmen, damit digitales Lernen erfolgreich wird?

Jenny Poiger: Traditionelles und digitales Lernen unterscheiden sich. Es gelten ganz andere Gesetze. Versucht man, die Gesetze des traditionellen Lernens 1:1 auf die virtuelle Welt zu übertragen, ist es, als würde ich versuchen, in einem anderen Land Deutsch zu sprechen. Man kommt schon irgendwie durch - aber Spaß macht es nicht. Grundsätzlich gilt aber: Lernen braucht Aufmerksamkeit. Und die ist gar nicht immer so leicht zu bekommen, vor allem im digitalen Umfeld!
Die Frage ist dann, was wünschen sich TeilnehmerInnen bei einem digitalen Training? Ein stundenlanges Starren auf PowerPoint-Folien? Vermutlich eher nicht. Da werden Kamera und Mikrofon ausgeschaltet und stattdessen lieber E-Mails beantwortet. Digitales Lernen ist erfolgreich, wenn TeilnehmerInnen im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen. Das Stichwort lautet hier ganz klar Beteiligung. Wir erleben immer wieder, wie viel Engagement sie haben, wenn das Training abwechslungsreich, interaktiv und mit vielen praktischen Elementen ist. Sie wollen sich vielleicht sogar auch mal bewegen. Sie wollen alleine recherchieren, Aufgaben lösen, im großen und kleinen Kreis Diskurse führen. Sie wollen kleine Herausforderungen bewältigen oder sich mit den KollegInnen auf spielerische Weise Lösungen erarbeiten. So funktionieren wir als Menschen! Wir lernen, indem wir vielfältige Verknüpfungen mit verschiedensten Sinneseindrücken schaffen und so starke neuronale Netze spinnen. Damit wird Information greifbar und auch nachhaltig behalten.

Aber um auf die Frage zurückzukommen: Werden für eine digitale Veranstaltung der Lernstoff und die Information einfach in eine PowerPoint gepackt, dann wird es schwer mit dem nachhaltigen Lernen. Um den neuen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen neue Wege gegangen werden. Dann klappt’s auch mit der Aufmerksamkeit und der Beteiligung und damit auch dem Lernerfolg der TeilnehmerInnen!

DIGITAL FUTUREmag: In meinem eigenen Bücherschrank steht ein Ausgabe von Daniel Goleman, mit dem Titel EQ. Emotionale Intelligenz. Sie ist von 1998. Ich habe extra noch einmal nachgeschaut. Was ist das Neue an Ihrem Konzept, wenn Sie Seminare, Workshops und Erlebnistrainings anbieten?

Markus Brücklmeier: Das stimmt. Emotionale Intelligenz ist nicht neu. Vor allem, wenn man betrachtet, dass sie sogar schon im Jahr 1990 von Salovey und Mayer begründet wurde. Und ich würde sagen, dass wir sogar noch länger wissen, dass beispielsweise Selbstreflexion, Selbstmanagement und Empathie wichtige Fähigkeiten sind, um gut in einer Gemeinschaft mit anderen leben und arbeiten zu können. Soft Skills wie emotionale Intelligenz sind wichtig. Das ist vielen durchaus bewusst. Die Frage ist: Wird es denn in Unternehmen tatsächlich auch gelebt?

Wir erleben in unserer täglichen Arbeit, dass Mitarbeitende diese Fähigkeiten bei KollegInnen und Führungskräften vermissen. Und seit dem digitalen Arbeiten im Home-Office sind diese Kompetenzen sogar noch wichtiger geworden: Sowohl für die Leistungsfähigkeit als auch die Gesundheit aller ArbeitnehmerInnen! Das Bewusstsein darüber, was emotionale Intelligenz bedeutet und was es uns bringt, ist vorhanden. Gleichzeitig erleben wir, dass es immer noch an gelebter Praxis fehlt. Deswegen besteht unsere Innovation nicht im Inhalt, sondern in der Methodik. Mit uns verstehen TeilnehmerInnen nicht nur, was emotionale Intelligenz auf rationaler Ebene ist. Sie erleben, was es heißt, emotionale Intelligenz auszuüben, zu erfahren und ihren Beitrag zu einer neuen, angenehmeren und effizienteren Kultur zu leisten. So wird dieser manchmal etwas schwammige Begriff greifbar und seine Wichtigkeit auf einer tieferen Ebene erfasst.

DIGITAL FUTUREmag: Die Projekte, die Sie auf Ihrer Internetseite präsentieren, klingen wirklich inspirierend. Unter Modern Lunch kann ich mir noch etwas vorstellen. Aber was ist ein MindCamp oder welches Ziel verfolgen Sie mit einem Mindful Team?

Jenny Poiger: Im Austausch mit unseren AuftraggeberInnen hören wir immer einen Zweifel: „Bleibt bei den Weiterbildungen wirklich etwas hängen?“ Und dieser Zweifel ist berechtigt. Denn bei traditionellen Tagestrainings in einem beliebigen Hotel wirken viele Inhalte anwenderfreundlich und sinnvoll. Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen sich vor, ganz viel umzusetzen. Doch dann kommt der Alltag und die guten Vorsätze sind schwuppdiwupp wieder vergessen und kommen auch nicht so schnell wieder. Um dieses Problem zu lösen, haben wir die MindCamps entwickelt. Die MindCamps stellen eine Reihe digitaler Live-Seminare dar, die regelmäßig und ganz einfach „on the job“ durchgeführt werden. Diese kontinuierlichen Lerneinheiten unterstützen die MitarbeiterInnen dabei, neu ihre mentale Gesundheit zu stärken. Ich vergleiche die MindCamps gerne mit dem Fußballtraining. Trainieren die SpielerInnen einer Mannschaft nur ein einziges Mal im Jahr, um dann die Meisterschaft zu gewinnen? Nein. Sie trainieren fast täglich. Denn Ziele und Erfolge erreicht man durch Kontinuität. Und genau dieses Prinzip setzen wir in den MindCamps um.

Um das Thema Mindful Teams zu erklären, bleibe ich direkt noch einmal bei meinem Fußball-Beispiel. In einer Mannschaft spielen viele einzelne Charaktere zusammen. Jede und jeder bringt eigene Stärken und Schwächen mit. Jeder Einzelne arbeitet an seiner bzw. ihrer Schnelligkeit, der Schusssicherheit usw. Es geht also darum, sich als einzelner weiterzuentwickeln. Genau das, was wir mit den MindCamps machen – nur nicht mit Fußball, sondern mit mentaler Stärke. Doch jeder Fußballer braucht sein Team, um erfolgreich zu sein. Das Team gleicht Fehler aus, gibt Unterstützung, schafft Routinen. Diese Idee verfolgen wir mit der digitalen Trainingsreihe „Mindful Teams“. Durch die Stärkung des Teams mit Routinen, Impulsen und Konzepten aus der Achtsamkeit und positiven Psychologie, können auch die persönlichen Ziele einfacher und schneller umgesetzt werden. Durch Achtsamkeit auf der Individual- und auf der Teamebene entwickelt sich ganz natürlich auch eine Kultur, die MitarbeiterInnen leistungsfähiger und gesünder macht – und das ist das übergeordnete Ziel unserer Impulse zu „Mindful Teams“.

DIGITAL FUTUREmag: Welches war bisher Ihr spannendstes Projekt und was waren die Ergebnisse, die Sie vielleicht selbst nicht erwartet hatten?

Markus Brücklmeier: Ein Projekt, das uns zum Umdenken gebracht hat, war MODERN LUNCH. Wir erleben häufig, dass sich vor allem diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Achtsamkeitstrainings eintragen, die ohnehin schon viel in diese Richtung gemacht haben. MODERN LUNCH hat durch den kulinarischen Faktor mit indirektem Fokus auf Achtsamkeit auch diejenigen Menschen angezogen, die sonst nichts mit dem Thema am Hut hatten. So haben wir es geschafft, Leute zu erreichen und von einer achtsamen Einstellung zu begeistern, die ursprünglich eigentlich nur wenig damit anfangen konnten. Das in Kombination mit einem tollen Menü von unserem wunderbaren Koch war eine schöne Erfahrung.

DIGITAL FUTUREmag: Welche Rolle spielen bei Ihren Trainings und bei Ihrem Ansatz grundsätzlich Führungskräfte?

Markus Brücklmeier: Führungskräfte sind für ihre MitarbeiterInnen im besten Fall Coaches, Vorbilder, SparringpartnerIn und ChefIn in einem. Sie beeinflussen ihr Personal mit der Art, wie sie mit ihm sprechen, welche Anforderungen sie stellen und wie sie im Arbeitsalltag agieren. Ihren Einfluss kann man nicht hoch genug einschätzen. Natürlich haben auch MitarbeiterInnen Einfluss auf die Kultur. Aber den größten Hebel haben Führungskräfte. Sie müssen gewünschte Veränderungen verstehen, annehmen und mit kontinuierlichen Ideen und Maßnahmen im Team vorantreiben. In den meisten Fällen steigt und fällt mit ihnen der Erfolg. Daher müssen sie in jedem Fall mitgenommen werden.

DIGITAL FUTUREmag: Forschungsergebnisse belegen, dass 80-90 % des Lernstoffes aus Seminaren nach etwa einer Woche verloren sind. Wie schaffen Sie für Unternehmen eine nachhaltige Mitarbeiter-Weiterbildung? Welche Methode setzen Sie bei Ihren Seminaren ein?

Jenny Poiger: Tatsächlich ist der Transfer beziehungsweise die Nachhaltigkeit von Seminaren eine der größten Herausforderungen. Wir begegnen diesem Problem mit einem Plan, der verschiedene Ansatzpunkte enthält:
Kurze „gehirngerechte“, aber kontinuierliche Impulse (MindCamps) über das Jahr hinweg ermöglichen eine schrittweise Umsetzung neuer Denkweisen in den Alltag. Multiplikatoren durch das besondere Schulen der Führungskräfte verstärkt den Lerneffekt und die tatsächliche Umsetzung im Alltag (Mindul Leader). Mit verschiedenen Transfer- und Begleitangeboten (Mindful Teams) geben wir dem Unternehmen die Möglichkeit, auch weiterhin an das Gelernte anzuschließen und die neuen Gewohnheiten schrittweise auf allen Ebenen auch in den Alltag zu integrieren.

Ein individuell angepasster Seminarplan für das Unternehmen gibt uns die Möglichkeit, die MitarbeiterInnen dort abzuholen, wo sie stehen, wo ihre Bedürfnisse liegen und wo auch die Motivation da ist. Dies unterstützt eine erfolgreiche nachhaltige Umsetzung. Eine engmaschige Rücksprache mit den Verantwortlichen und dementsprechend flexible Anpassungen in der Planung und Umsetzung der Impulse gehört für uns ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren eines nachhaltigen Lernerfolgs – vor allem im digitalen Lernen. Nicht zuletzt ist es für uns wichtig, ein direkter und realer Ansprechpartner für die MitarbeiterInnen, Führungskräfte und Verantwortlichen zu sein: Sei es im Seminar oder zwischen den Seminaren. Diesen Aspekt begrüßen sowohl Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch Verantwortliche stets sehr!

DIGITAL FUTUREmag: Was ist Ihrer Meinung nach die Basis für ein langfristig erfolgreiches Unternehmen? Ist es grundsätzlich die Kultur oder eine kontinuierliche achtsame Weiterbildung der MitarbeiterInnen?

Jenny Poiger: Grundlage für ein langfristig erfolgreiches Unternehmen sind in erster Linie die Menschen dahinter. Gesunde, leistungsfähige und motivierte MitarbeiterInnen mit entsprechenden fachlichen, sozialen und emotionalen Kompetenzen. Entscheidend dafür, ob dieses Potential auch ausgeschöpft werden kann, ist dann jedoch vor allem das Umfeld, das Team, die Kultur. Deswegen setzen wir es uns in der MODERNMIND GmbH auch zum Ziel, Unternehmen mit einem ganzheitlicheren Blick zu unterstützen, sodass sie letztlich als ein großes Team oder eine große Mannschaft erfolgreich sein können. Das geht nicht von heute auf morgen, aber langfristiger Erfolg bedarf Geduld und Engagement – und das über einen langen Zeitraum hinweg. Ganz so, wie es sich auch mit dem Fußball-Training verhält. Das wissen aber nicht nur FußballerInnen, Fans oder andere SportlerInnen, das wissen auch Eltern, Führungskräfte, die Belegschaft und manchmal auch schon die SchülerInnen.

DIGITAL FUTUREmag: Ganz herzlichen Dank für dieses wirklich aufschlussreiche Interview.

Modernmind: Vielen Dank für die tollen Fragen und dass wir hier sein durften!

Das Interview führte Michael Mattis, Herausgeber des DIGITAL FUTUREmag.

 

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